Gemeinsam gegen Gewalt

Vernetzungsforum am 28. 11. 08 im Siemens Forum, 10 – 16 Uhr 30

In ihrer Eröffnungsrede weist BM Dr. Claudia Schmied auf die Bedeutung hin, das Thema Gewalt als gemeinsames gesellschaftliches Anliegen zu sehen bei dem  die Lehrer/innen nicht allein gelassen werden dürfen. Der Umgang der Menschen miteinander hat einen hohen Stellenwert. Es gilt Sensibilität und Wissen über verschiedene Formen der Gewalt zu stärken, Zivilcourage zu fördern und vor allem in der Prävention tätig zu sein.

Schule muss ein Ort der Sicherheit sein, damit Bildung gelingen kann.

Sie erläutert dann ihr 5 Punkte Programm:

  • Qualifizierungsoffensive in der Lehrer/innenbildung. Ab 2009 gibt es ein verpflichtendes Ausbildungsmodul für Pflichtschullehrer/innen und Fortbildungsangebote an den PH sowie Fortbildungsmöglichkeiten an den Schulstandorten selbst.
  • Die Anzahl der Planstellen für Schulpsychologen wird um 20 % erhöht. Sie wünscht sich auch eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei.
  • Ausbau von Präventionsprogrammen
  • Ausweiten der Verhaltensvereinbarungen (derzeit gibt es sie an 50% der Schulen), aber nicht nur für den Abschluss sondern auch für die Einhaltung muss gesorgt werden
  • Errichtung von Vernetzungsforen

Univ.Prof. Dr. Friedrich Lösel (University of Cambridge und Universität Erlangen)

Es gibt einige spektakuläre Einzelfälle, die reißerische Medienberichten zur Folge haben, was zur Überbetonung des Negativen und zu einseitigen Erklärungen führt. Es gibt aber tatsächlich viele alltägliche Verhaltensprobleme.

Ein Drittel aller Menschen, die früh auffällig werden, bleiben es auch. 5% der Jugendlichen schlagen und quälen regelmäßig, 5% werden regelmäßig Opfer.

Mobbing/Bullying darf nicht isoliert gesehen werden. Die Mobber leben oft selbst unter schlechten Bedingungen. Die Opfer sind weniger auffällig.

Aggressivität hat oft eine genetische Komponente. Jugendliche nehmen die Umwelt aber anders wahr als Erwachsene. Medien haben einen Verstärkereffekt, ob sie auch Auslöser sein können, weiß man nicht.

Bei Gewalt ist die Kumulation mehrer Faktoren wesentlich.

Nicht alles, was man machen könnte, ist wissenschaftlich auch sinnvoll.

Es gibt verschiedene Präventionsmaßnahmen

  • Universell – für alle in der Schule
  • Selektiv – z.B. für Alleinerzieher/innen aus der Unterschicht
  • Indiziert  – wenn Probleme virulent werden

Aufgrund internationaler Erfahrungen kann man pauschal sagen:

  • Aktionen werden meist nur nach spektakulären Vorfällen gesetzt
  • Es werden selten langfristige Maßnahmen getroffen
  • Es gibt zu wenig Vernetzung
  • Es gibt große Probleme mit der praktischen Implementierung und Qualitätssicherung
  • Es gibt zu viele unrealistische Versprechungen
  • Es findet zu wenig Evaluation statt.

Bei Eltern Trainingsprogrammen gibt es eine Reihe von Angeboten in der Präventionsarbeit, aber keine systematische Evaluation, ob die Zielsetzungen erreicht wurden. Es profitieren aber doch die, die es am meisten nötig haben und vor allem dann, wenn Eltern und Kinder an den Programmen teilgenommen haben. Es wurden auch Familien mit Migrationshintergrund erreicht, allerdings am wenigsten türkische Familien. Daher ist es sinnvoll, diese Trainings an die Schulen zu verlegen.

In den Trainings werden Erziehungsnormen vorgestellt, z.B. Wie setzt man Grenzen?

Es hat sich gezeigt, dass universelle Trainings weniger Effekte haben als indizierte und kleinere mehr Effekte zeigen als größere.

Mit diesen Programmen können sowohl Kinder aus Migrantenfamilien und auch ältere Kinder erreicht werden.

Im Bereich Bullying wurde eine Reduktion von 17 – 23% erreicht, wichtig ist es, die Eltern einzubeziehen und klare Klassenregeln aufzustellen.

Das Autoritätsproblem an Schulen ist sehr groß, wobei Klassen- und Schulgröße keine Rolle spielen! Wichtig wäre es:

  • mehr männliche Lehrer zu haben und auch mehr Personen mit Migrationshintergrund einstellen zu können.
  • Kunst und Sport im Schulbereich mehr Raum zu geben
  • Streitschlichterprogramme einzusetzen
  • Auch Eltern von bereits volljährigen Schüler/innen zu informieren

Univ. Prof. Dr. Christiane Spiel (Universität Wien)

Etwa 10% der Jugendlichen werden regelmäßig körperlich attackiert oder verbal beschimpft oder ausgegrenzt

Wenn man bei aggressivem Verhalten nicht einschreitet, hat dies negative Konsequenzen für alle: Täter, Opfer und solche, die nicht aktiv beteiligt sind.  Wie lernt man Zivilcourage um adäquat eingreifen zu können.

Bei Untersuchungen an einzelnen Schulen hatsich gezeigt, dass es große Unterschiede zwischen einzelnen Klassen gibt. Multikulturelle Klassen sind aber nicht anders als andere Klassen

Verbales Bullying kommt wesentlich häufiger vor als physische Gewaltakte.

Ein neues Phänomen ist Cyberbullying (Einsatz der neuen Medien, z.B. happy slapping). In Österreich ist das noch nicht so stark verbreitet, 5% sind Täter, 7% Opfer.

Es gibt viele Initiativen zur Gewaltprävention, aber keine Evaluation oder Vernetzung.

In der Kandersteg Deklaration einigten sich die Staaten auf fünf Punkte

  • Mobbing verhindern überall wo Kinder und Jugendliche leben
  • Prävention muss früh einsetzen und im Kinder- und Jugendalter forgesetzt werden
  • Alle vorhandene Wissen muss den Menschen die Kinder und Jugendliche betreuen, zugänglich gemacht werden
  • Politische Maßnahmen ergreifen um Präventionsprogramme einsetzen zu können
  • Präventionsmaßnahmen müssen wissenschaftlich begleitet werden

Nur ein strategisches Vorgehen auf nationaler Ebene bringt nachhaltige und flächendeckende Erfolge.

Im Jänner 2007 einigte man sich in Österreich auf eine Generalstrategie „Gemeinsam gegen Gewalt“ mit der Einbindung aller Interessensgruppen und einem Austausch von Erfahrungen der Experten um theoretisch basierte und wissenschaftlich evaluierte Präventionsprogramme einsetzen zu können.

Wissen, Förderung von Sozialkompetenz und Umsetzung sind die drei Faktoren

Es gibt sechs Aktivitätsbereiche:

  • Politisches Bekenntnis
  • Information und Öffentlichkeitsarbeit
  • Vernetzung und Kooperation
  • Wissensaustausch und Weiterbildung
  • Prävention und Intervention im Kindergarten
  • Forschung und Evaluation

Ganz zentral: Alle sind verantwortlich, ich bin beteiligt, wenn ich anwesend bin

Lehrer sollten wissen, wann sie zuständig sind, wann sie selbst eingreifen und wann sie Hilfe holen sollten.

Hinweise auf Olweus Programm, Faustlos

www.gemeinsam-gegen-gewalt.at

Ergebnisse unseres Workshops

  • Schnelle professionelle Hilfe im Anlassfall ermöglichen
  • Verbesserte Ausbildung vor allem bei den AHS Lehrer/innen
  • Mehr Information über und größere Vernetzung der vorhandenen Angebote, Schaffung einer zentralen Vernetzungsstelle
  • Österreichweite Standards an Schulen im Umgang mit Gewalt
  • Rahmenvorgaben für Verhaltensvereinbarungen
  • Mehr Ressourcen

Teilnehmer/innen:

Vertreterin von Möwe: bieten kostenlose Workshops auf Anfrage an; im Bezirk Mistelbach gibt es ein Mal pro Monat ein Lehrer/innen Jour fixe

Professor von Uni Wien, der an der PH Lehrgang für Konfliktmanagement hält:  Lehrer/innen sollen lernen wie sie mit Konflikten umgehen sollen; „beim Reden ist die Chance, dass man sich missversteht größer als dass man sich versteht“; „die Thematisierung der Schuldfrage steht der Lösung im Wege“; der Lehrgang wird gut angenommen

Polizeibeamter: es gibt Präventionsbeamte für Schulen, man muss Schüler/innen die Folgen bewusst machen, Lehrer/innen brauchen dringend Unterstützung; Hilfe muss schnell kommen

AHS Professorin und Mediatorin: betreut die Peermediation an der Schule; großes Problem die Eltern brechen weg, vor allem die Betroffenen; diese Eltern würden auch nie Geld für Schulungen ausgeben; Eltern kümmern sich aus zeitmangel um ihre Kinder nicht; auch im Pflichtschulbereich sollte der SSR an Außenstellen verweisen

Vertreterin von Verein Neustart:  es gibt Angebote an Schulen  gemeinsam mit Sozialarbeitern, es kann aber nicht mehr alles kostenlos sein; das Interesse an Schulen ist groß, es stimmt nicht, dass Lehrer niemand von außen wollen; würden gern mehr Schulen betreuen;

Lehramtsstudentin: Was kann ich in meiner Haltung und Einstellung tun, dass Konflikte vermieden werden; sie möchte, dass konfliktfreie Kommunuikation in die Lehrer/innenausbildung integriert wird; sie sucht privat ihre Informationen, denn sie möchte in so einer konfliktbeladenen Umgebung nicht unterrichten

Vertreterin der Koordinationsstelle für Schulmediation in Kärnten: sie arbeiten mit LSR und PH eng zusammen, auch mit der Polizei; zuletzt führten sie Akutmediation in 30 Schulen durch, es gibt Peermediation und Trainingsprogramme, Schilfmodule; alles wird von großem persönlichen Engagement getragen; wünscht sich mehr Ressourcen

Kurier Family Coach Martina Leibovic: bildet Elternbilder und Erziehungsberater/innen aus; sie betreut ein Eltern-Lehrer-Schüler Forschungsprojekt, dabei werden „Bridgepersons“ ausgebildet, die als Sozialmoderatoren fungieren können

Mutter, die ein Sozialmoderatorenprojekt organisiert: sie sieht akuten Handlungsbedarf in der Ausbildung der AHS Professor/innen; die Lehrer/innen leiden; Angebote gibt es nicht oder sie werden nicht genutzt; es gibt keine Supervision

Schulpsychologe Stmk (vor der Pause)

Folgendes habe ich zum Thema „Was kann ich konkret einbringen?“ formuliert:

  • Klassenabende zum Thema anregen
  • Referentenpool zum Thema für diese Abende erstellen und den Elternvereinen zur Verfügung stellen